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Über Musik und ihre Macher

Jamsession – Mica Wanner über ihre Tätigkeit als Sprecherin, Authentizität und Vermarktung und über Frauen im Jazz (Teil II)

micaportrait

Sängerin und Sprecherin Mica Wanner

Im ersten Teil meines Gespräches mit der Sängerin Mica Wanner ging es um ihre musikalischen Anfänge, ihre Liebe zu Balladen und die Schwierigkeiten von Sängern auf Jamsessions. Nach einigen Tassen Tee und viel Gelächter – Mica lacht viel und gern – widmeten wir uns ihrer Tätigkeit als Sprecherin.

Irgendwann war Dir das Singen nicht genug und Du hast angefangen, als Sprecherin zu arbeiten. Wie kam es dazu?

Das war zum einen so, dass ich immer schon, wie mit dem Singen, im Hinterkopf hatte: das würde ich gern mal machen. Seit ich mal 1992 einem Synchronsprecher in Echt begegnet bin. Ich habe Journalistik studiert und habe eine Zeit lang fürs Fernsehen gearbeitet, da hatte ich auch Sprechunterricht zwischendurch, Sprecherziehung. Es war schon immer so ein bisschen in meinem Blickfeld, aber auch da dachte ich nie, dass man daraus einen Beruf machen kann. Nachdem ich beschlossen hatte, ich werde jetzt tatsächlich versuchen, als Sängerin mein Geld zu verdienen, ging es eigentlich nur noch darum, wie finanziere ich mein Lebensunterhalt, was natürlich nicht so einfach ist. Ich habe jetzt mit dem Event-Sektor wenigstens Jobs, die bezahlt werden. Andere unterrichten, das liegt mir nicht so, deswegen dachte ich, ok, irgendwas muss ich machen. Die Event-Jobs sind zwar da, aber größtenteils nur von Mai bis Oktober. Das heißt, ich werde es auch nie schaffen, im Sommer so viel Geld zu verdienen, dass es dann für 7 oder 8 Monate reicht, in denen nicht so viel passiert. Es war dann klar, wenn ich das weiter machen will, und das stand eigentlich außer Frage, muss irgendwas her. Fürs Kellnern war ich inzwischen auch eigentlich zu alt, Bürojob war mein absoluter Horror, ich wüsste nicht, was ich da eigentlich machen soll, da gibt es andere, die können so was viel besser.

Als Sprecher Fuß zu fassen, ist aber auch nicht ganz einfach…

Ich dachte, wenn ich mit 33 anfangen kann, Sängerin zu werden und dann sogar davon leben kann und es offensichtlich halbwegs funktioniert, dann kann ich jetzt auch Sprecherin werden. Da war ich dann schon etwas mutiger und dachte, ich mache es einfach genau so wie beim Singen, nur schneller, weil jetzt wusste ich ja schon, was ich machen muss. Ich habe angefangen, wie blöd Unterricht zu nehmen und bin in eine Amateur Community für Hörspielmacher gekommen, ein Forum, wo man gemeinsam Hörspiele produziert, wo jeder mitmachen kann, der eine gewisse Aufnahmequalität hat als Sprecher. Es gibt aber auch Musiker dort, Autoren, Cutter, alles mögliche, und das sind teilweise Profis und teilweise einfach Amateure, die da Spaß dran haben oder es als Ausgleich zu ihrem normalen, stressigen Job machen. Da entstehen wirklich tolle Produktionen, auch größtenteils auf Profi-Level, und das hat mir dann noch mal so einen Schub gegeben. Durch diese Berliner Hörtalk Community war ich plötzlich konfrontiert mit lauter kreativen Menschen, die sich auch alle irgendwie durchschlagen, aber tatsächlich habe ich dann auch zum ersten Mal einen Berg von Schauspielern getroffen, von Sprechern oder zumindest welchen, die genau so wie ich, sehr ambitioniert waren da den nächsten Sprung zu machen. Das war natürlich auch ein toller Austausch mit denen, zu gucken, wo stehen die, was haben die für Jobs, wie gehen die ran an die Sachen. Und das lief sehr gut und noch viel schneller an, weil ich auch wusste, wie vermarkte ich mich. Als Sängerin muss ich mich auch vermarkten heutzutage. Manche haben eine Agentur, aber ich wollte mich jetzt nicht auf jemand andern verlassen, bei mir weiß ich, ich arbeite für mich, und bei jemand anderen, keine Ahnung wie lange ich da Karteileiche bin. Es war für mich auch klar, es muss alles schnell gehen, weil ich nicht mehr die Jüngste bin, ich hatte für mich zumindest nicht das Gefühl, ich kann mir jetzt noch mal zehn Jahre Zeit lassen, wie das vielleicht ist, wenn du 20 bist, dann denkst du, naja, bis 30 hab ich ewig Zeit, bis dahin kann ich mich ewig ausprobieren.

Ich sehe da hinten eine Kabine…

Ich musste mir jetzt eine Sprecherkabine anschaffen für mehrere Tausend Euro, weil ich gemerkt habe, wenn ich einen Auftrag habe und jemand hämmert im Hof rum, dann kann ich nicht arbeiten. Erstens stresst es mich und zweitens kann ich dem Auftraggeber nie sagen, wann er seine Sachen kriegt und womöglich muss ich dann wieder weg, weil ich ein Konzert hab oder irgendwas, das heißt, das ging nicht. Und eine Anlage musste ich mir kaufen, also, es waren jetzt schon einige Investitionen, aber zumindest bin ich jetzt komplett unabhängig von allen, bin auf niemanden angewiesen, ich kann alles selber machen und das ist ein sehr gutes Gefühl.

Welche Sprecherjobs machst Du, wo kann man Dich hören?

Mit Hörspiel hat es angefangen, wobei ich jetzt erst mal Pause mache, weil ich gemerkt habe, ich komme meinen gewachsenen Ansprüchen nicht hinterher. Ich habe gemerkt, wenn ich so etwas weiter machen will, oder auch Synchron oder alles, was mehr mit Schauspielerei zu tun hat, dann brauche ich mehr Schauspielbasics. Ich hatte da vor hundert Jahren vielleicht mal einen Kurs gemacht, aber mir fehlt eigentlich dieser schauspielerische Background. Was ich ganz viel mache ist E-Learning, Firmenschulungen, Audio-Guides habe ich schon besprochen, Image-Filme, kleine Erklär-Videos, was jetzt jede zweite Firma auf YouTube hat oder auf der Website, so was ist natürlich jetzt gerade ein sehr großer Markt. Kinder-Apps habe ich auch schon besprochen – „Finde alle Zoo-Tiere“ oder so was – die können dann auf dem iPad rumtippen, was vielleicht pädagogisch nicht so wertvoll ist, dass die Fünfjährigen schon ein iPad haben, aber andererseits kriegen die Kleinen irgendwelche Aufgaben, und so was macht mir eigentlich auch Spaß. Was ich natürlich mittelfristig schon gern ausbauen würde, wäre Hörbücher zu sprechen, das ist natürlich schon eine Herausforderung. Hörspiel würde mich auch weiterhin interessieren, aber da habe ich das Gefühl, da muss ich jetzt erst mal noch in die Schule gehen, ein bisschen nachsitzen.

Was du beim Sprechen lernst, hat wahrscheinlich auch eine positive Wirkung auf den Gesang, oder?

Im Prinzip schon, es hat schon was miteinander zu tun, aber es ist auch ganz anders. Klar, bei beiden hat es etwas mit Atmung zu tun und bei beiden brauchst du deine Stimmbänder und Muskulatur, aber irgendwie kommt das Singen bei mir mehr aus dem Bauch raus. Ich singe nicht nur, sondern stehe auch auf der Bühne, ich hab das Mikro in der Hand, ich brauche ein bisschen Bewegung, ich brauche Interaktion mit den Musikern. Für mich wäre es unbefriedigend, wie bei vielen großen Künstlern, die dann ganz vorne allein stehen und die Band irgendwo weit weg ist. Wenn ich von meiner Band entfernt bin, das gefällt mir überhaupt nicht, das versuche ich immer zu vermeiden, so große Bühnen hatte ich bisher zum Glück noch nicht (lacht). Aber ich sehe mich da als Teil des musikalischen Prozesses, der da stattfindet, das finde ich ganz wichtig. Beim Sprechen bin ich immer noch so ein bisschen verkrampfter. Obwohl, beim Live-Hörspiel kommt es auch mehr aus dem Bauch heraus, das ist auch mehr ein Spielen vor Publikum. Wenn ich meine Sprecherjobs mache, stehe ich ja meist vor dem Mikro und muss am besten immer die gleiche Position behalten, damit es gleich klingt, da komme ich nicht so gut in den Körper rein, deswegen merke ich da, wie ich mich öfter verkrampfe im Hals, oder im Nacken. Aber wenn ich die Stimme aufwärme, Aufwärmübungen mache, ein wenig Stretching, ein paar Tonleitern, aber auch ein paar Zungenbrecher oder Artikulationsübungen, da mache ich jetzt eigentlich das Gleiche für beides.

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Mica Wanner und Hans-Peter Stoll beim Live-Hörspiel „Martin & LaMonte – Der Fall Verhaag“

Es heißt, Berlin sei DIE Jazzstadt, wie ist Dein Eindruck?

Ich habe nicht so viele Vergleichsmöglichkeiten, aber ich habe mich in anderen Städten, unter anderem in Stuttgart, wo ich immer noch öfter bin, weil meine Familie da lebt, umgeschaut. Und da musste ich feststellen, nicht nur in Stuttgart sondern auch in anderen Städten, es gibt dann so jeden dritten Dienstag im Monat oder so eine Veranstaltung oder Session – und hier gibt es jeden Abend etwas! Wenn man jetzt alles mitnimmt, kann man wahrscheinlich jeden Abend auf zwei Sessions gehen. Hamburg weiß ich nicht, ich könnte mir vorstellen, dass da noch ein bisschen was passiert, aber ich denke, in Berlin ist es schon am meisten. Und hier kommen auch viele Musiker her, logischerweise. Ich denke, deutschlandweit ist Berlin schon die Jazzhauptstadt.

Das ist einerseits sicherlich schön, auf der anderen Seite wird es dadurch wahrscheinlich schwieriger. Je mehr Kollegen da sind, ist auch die Konkurrenz größer…

Auf jeden Fall. Ich sehe es bei den Konzerten immer, auch bei meinen. Du spielst in einem Café und mal ist der Laden voll und mal sind drei Leute da, das weißt man auch nie so genau, und man kann sich auch nicht immer auf seine Freunde verlassen, dass die kommen, die kommen dann vielleicht zwei Mal im Jahr. Mir ist das schon einige Male aufgefallen, in Clubs wie dem Schlot, der jetzt nicht so ein Laufpublikum hat, im Gegensatz zu B-flat und A-Trane, die sind noch am vollsten, sie liegen zentral, ziehen Leute an, man kann vorbeigehen und schauen, was ist denn da los, ach gehen wir mal rein, gerade B-flat mit dem schönen Schaufenster und dann mitten in Mitte. Und das Schlot ist auch ein sehr schöner Club, aber da muss man wirklich bewusst hingehen, der ist schon sehr versteckt, und da war ich früher bei Konzerten von wirklich tollen Musikern und dachte, das kann nicht sein, dass hier jetzt drei Leute sitzen! Wirklich, auch schon welche, die zumindest Lokalprominenz hatten – und dann kommt da keiner. Das ist bezeichnend dafür, dass hier auch einfach viel zu viel passiert. Ich denke, irgendwo in der Provinz wär der Laden voll und ausverkauft. Wobei Jazz ja immer so ein bisschen problematisch ist, selbst mit Gesang, was dann ja noch meistens die gemäßigte Variante ist. Jazz zieht per se nicht so viele Leute, als wenn du jetzt sagst, das ist Soul oder R’n’B, oder es singen Popsternchen.

Es gibt ja Leute wie Till Brönner oder auch Roger Cicero, wo das ja auch ein wenig grenzwertig ist, wo man sagen kann: ist das jetzt Jazz, oder ist das eher Pop?

Genau, dafür werden sie auch von der Jazzpolizei heftigst kritisiert. Das ist natürlich immer so ein zweischneidiges Schwert. Es ist klar, einerseits zu sagen, ich passe mich jetzt dem Massengeschmack so ein bisschen mehr an und mache nicht das siebenminütige Solo, mache ein bisschen offene Arrangements, oder ein bisschen mehr Pop. Im Prinzip sind die Grenzen da auch irgendwo fließend, es gibt so viel Mischmusik zwischen Pop oder zwischen Soul und Jazz, selbst Hiphop und Jazz, da gibt es ja so viele verschiedene Musikrichtungen. Für mich heißt es immer: finde ich das interessant oder finde ich es nicht interessant, und manches finde ich ein bisschen langweilig, wenn es dann zu kommerziell wird.

Aber es kann auch trotzdem interessant und halbwegs massenkompatibel sein, und ich denke, das ist auch wirklich so eine Sache, wie man sich vermarktet. Ich denke, viele Jazzer, gerade bei den Instrumentalformationen, die haben gar kein Interesse dran, sich zu vermarkten. Vielleicht nicht mehr ganz so schlimm das typische Klischee „die wollen in ihren verrauchten Kellern sitzen und möglichst mit dem Rücken zum Publikum“, das ist zwar ein bisschen böse und überzogen, aber ich glaube ein Fünkchen Wahrheit ist da schon manchmal noch dran. Für viele, die sagen, ich mache hier jetzt ernsthaften Jazz, da gehen Vermarktung und Jazz nicht zusammen. In dem Moment, wo ich mich auf einem Plakat grinsend wie Till Brönner hinstelle, habe ich schon die Sache verraten, denken so mache. Andererseits wundert man sich, warum keiner kommt. Aber heutzutage und gerade in Berlin, wo einfach unglaublich viel passiert jeden Abend, ist es auch so schwer.

Irgendwie muss man auf sich aufmerksam machen…

Klar, und es kann ja sein, dass es total toll ist, was ich spiele, bloß wenn es keiner mitkriegt, dann kriege ich auch keine Leute in den Club. Man muss da ein bisschen gucken, dass man sich jetzt nicht verkauft oder nicht auch vielleicht seine eigene Einstellung oder warum man das macht, verkauft, nur um kommerziell erfolgreich zu werden. Ich finde, Lisa Bassenge ist da so jemand, die kriegt das ganz gut hin. Gut, sie macht jetzt auch andere Sachen als vorher, aber ich hab das Gefühl, das ist total authentisch, das kommt aus ihr raus, ich glaube sie schreibt auch die Stücke, die meisten neuen sind auch von ihr, oder von ihr und Paul Kleber, und die vermarktet sich bis zu einem gewissen Grad, aber man hat das Gefühl, sie bleibt immer noch komplett ihrem Ding treu und macht jetzt nichts, nur um ein paar mehr Besucher anzulocken. Das finde ich einen ganz gelungenen Spagat in der Richtung.

Lisa Bassenge

Lisa Bassenge (CC: Urheber)

Was für einen Eindruck hast du denn, wenn es um Frauen im Jazz geht? Oft sieht man die Frau als erstes in der Rolle der Sängerin, als dass man sie zum Beispiel am Bass stehen sieht. Hast du auch diesen Eindruck?

Man sieht prinzipiell sehr wenig Musikerinnen auf der Bühne im Jazz. Klar, es gibt vielleicht noch ein paar Saxofonistinnen, es gibt auch mal eine Schlagzeugerin oder Bassistin, Pianistinen dann vielleicht eher noch. Also, Pianistinnen und Saxofonistinnen sind dann wahrscheinlich eher die, die dann auch ihre eigenen Bands gründen, aber wenn ich auf Jazzkonzerte gehe oder auch in meinem Musikerumfeld, da sind es schon eher Männer.

Was glaubst du, woran das liegt? Trauen sich die Frauen nicht, liegt es an der Musikrichtung, oder an den Leuten, die dann sagen, ach nö, wir bleiben unter uns?

Im Prinzip ist es bei den meisten Musikrichtungen so, dass man weniger Musikerinnen sieht. Die Gitarristen in irgendwelchen Rock-Pop-Formationen sind dann auch meistens Männer, da steht die Frau auch eher vorne. Man sieht selten Frauen am Instrument, es sei denn solche wie Diana Krall, die dann zwar auch ein Instrument spielen, aber eben auch singen, oder Bandleader sind. Dass die einfach so mitspielen, sieht man wenig. Ich kann mir vorstellen, dass man wahrscheinlich schon ein bisschen mehr Selbstvertrauen braucht als Frau, weil man da doch in so eine ziemliche Männerbastion rein kommt. Ich weiß nicht, wie das an den Hochschulen ist, ob da der Anteil ein bisschen ausgeglichener ist. Auch bei Sessions gibt es wirklich wenig Frauen, finde ich, außer mal eine Sängerin oder tatsächlich mal eine Saxofonistin, aber im Verhältnis sind es schon wesentlich weniger. Keine Ahnung, warum es Frauen entweder nicht anspricht, oder sie sagen, ist mir zu anstrengend mit den ganzen Typen, mich da dauernd durchzusetzen.

Als ich anfing, auf Sessions zu gehen, hatte ich den Eindruck, sobald du sagst, du bist Sängerin, nimmt dich sowieso keiner mehr ernst, und es ist jetzt eigentlich egal ob du das studiert hast oder nicht. Wenn ich sagen würde, geh mal weg vom Klavier, ich spiele das jetzt mal selber, dann würden sie einen vielleicht eher respektieren, aber sobald ich sage, ich bin Sängerin, merkt man, wie viele erst mal abschalten. Und da denkst du dir, ok, gut, offensichtlich habe ich hier nichts zu verlieren, ich kann machen was ich will, es nimmt mich eh keiner ernst. Das war dann für mich ein ganz erfrischender Gedanke. Aber ich kann mir vorstellen, dass es schon ein bisschen nervig ist. Ich denke, da gibt es auch solche und solche. Genauso wie in einer großen Firma auf der Vorstandsetage. Klar ist es auch schwer, aber ich kann mir vorstellen, dass man als Frau auch teilweise Ellenbogen braucht, um sich da durchzusetzen, wenn so viele Männer um dich herum sind. Vielleicht gibt es auch Frauen, die in den Jazz gehen und dann merken, die Realität ist zu anstrengend. Vielleicht ist es für die Frauen auch nicht so erstrebenswert.

Das Musikerleben ist nicht einfach…

Und dann auch noch im Jazz! Ich denke, viele wollen Musiker werden, weil sie im Hinterkopf haben: ich werde ein Star. Auch wenn man sich nicht traut das zu sagen: wenn man sich auf die Bühne drängt, hat man vielleicht auch schon den Wunsch, mit einer großen Band zu touren, oder ein bisschen erfolgreicher zu werden, und Jazz hat eher nicht so viel Sexappeal, es gibt einfach sehr wenig richtig erfolgreiche Jazz-Acts. Vielleicht kommt man da gar nicht auf die Idee. Das ist dann eher, dass man auch ein bisschen später rein rutscht. Es gibt auch bestimmt viele Sänger, die dann mit 60 oder 50 sagen, so, jetzt mache ich mal ein Jazzalbum, zum Beispiel Annie Lennox. Die dann eher in den Jazz kommen als dass sie aus dem Jazz kommen und dann ganz was anderes machen. Das ist auch für mich und auch alle, die ein bisschen später auf den Trichter kommen, ich will jetzt Jazzsängerin werden, eigentlich eine ganz tolle Sache, ich hab dann nicht so viel Druck. Wenn ich jetzt beschlossen hätte, ich werde mit Anfang Dreißig Popsängerin, dann hätte ich im Schnellverfahren sofort loslegen müssen, und so dachte ich mir: ok, ich muss mir jetzt nicht so einen Stress machen, ich kann mir auch noch drei Jahre länger Zeit lassen, weil ob ich jetzt mit 50 oder mit 60 oder mit 70 Jazzsängerin werde, eigentlich werde ich fast noch authentischer wenn ich älter bin, also letzten Endes ist es egal. Kommerziell ausschlachten kann man es sowieso nicht, war auch nie mein Bestreben im Sinne von „ich werde jetzt reich und berühmt als Sängerin“.

Das ist das schöne im Jazz, dass es darauf nicht ankommt. Da wird es besser mit dem Alter…

Das finde ich super. Weil man sich diesen Stress nicht machen muss, von wegen ich muss jetzt bei jeder Plattenfirma hausieren gehen und es muss ganz schnell klappen, weil mit 40 fallen mir dann schon die Gesichtszüge zusammen und dann ist noch mehr Photoshop angesagt als sowieso schon. Im Pop ist ja schon sehr dieser Jugendkult angesagt, jung und knackig und möglichst dünn, da musst du nicht mal singen können, Hauptsache du siehst gut aus und kannst ein bisschen tanzen. Und da dachte ich, ich mache mir keinen Stress, gucke mal, dass die finanzielle Basis stimmt und dann werde ich Jazzsängerin. Und zwischen 50 und 80 mache ich dann nur noch Jazz!

Mehr über Mica Wanner: Mica Wanner

Information

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 24. Juli 2015 von in JAMSESSION - Gespräche mit Jazzern.
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